Volksentscheid "Neue Energie"

Veröffentlicht am 20.10.2013 in Berlin

Am 3. November 2013 wird über den Volksentscheid „Neue Energie“ entschieden. Dessen Ziele stehen symbolisch für einen grundlegenden politisch-strategischen Wandel.

Pankower SPD inhaltlicher Motor

Die Pankower SPD prägt die strategische Neuausrichtung der Politik der Berliner SPD wie kaum ein anderer Verband maßgeblich mit. Wir sind inhaltlicher Taktgeber auf der Landesebene. In unserem Kreisverband sind die ersten durchgreifenden Überlegungen zu einer Umkehr der Privatisierungspolitik in der Stadt nicht nur angestellt, sondern inhaltlich bis in konkrete Gesetzesänderungen durchgetragen worden. Auch das sei deutlich gesagt: Ich spreche hier kein Urteil über die politischen Entscheidungen zu Sachzwängen der Nachwende- und 2000er Jahre, weder im Bezirk, noch im Land. Aber die Pankower SPD kann klar Anspruch erheben, seit 2007 die langen Politiklinien in Berlin führend mit zu prägen.

Ohne die strategischen Überlegungen z.B. von Sandra Scheeres hätten wir heute keine so bundesweit vorbildliche Kitalandschaft. Die Verdopplung der Schulsanierungsmittel wurde 2007 von uns vorgeschlagen und wird seither durch uns immer wieder sichergestellt. Neu wird ab 2014 ein Kita-Sanierungsprogramm im zweistelligen Millionenbereich sein, eine Pankower Idee.

Ohne die harte Linie der Pankower SPD und der Abgeordneten beginnend in der letzten Legislaturperiode wären die Bezirksfinanzen nie stabilisiert worden, es gäbe kein Schuldenmoratorium für Pankow und keine Schul- und Schwimmhallensanierung zumindest dieses Umfangs.

Rainer-Michael Lehmann und Alex Lubawinski waren dabei, als wir Dauerstreikenden Mitte 2011 konkret zusagten, im Berliner Vergabegesetz gleichen Lohn für Frau und Mann und für Ost und West durchsetzen zu wollen; heute Gesetzeslage in Berlin und mehr. Heute haben wir ein Landesmindestlohngesetz, das für alle gilt, die öffentliche Gelder erhalten, maßgeblich besprochen und durchgetragen auch von Pankowern.

Ohne die Pankower SPD wären auch die 40.000 Wohnungen der damaligen BIH verschenkt worden, wie sich heute zeigt, eine wirtschaftlich und politisch richtige Entscheidung. Und auch eines der größten Investitionsprojekte Berlins auf dem ehemaligen Rangier­bahn­hof in Pankow hat die Partei nun durchgesetzt; die Fraktion des Ab­ge­ordneten­hauses hat nach umfassenden Spitzengesprächen der Landesebene mit dem Kreisverband grünes Licht gegeben.

Die politische Forderung nach einer Rentenangleichung von Frau und Mann und in Ost und West fand vom Kreisverband Pankow beginnend über einen umfassenden Beschluss des Landesverbandes der SPD nicht nur Eingang in das Bundeswahlprogramm unserer Partei, sondern auch als einer der politischen Schwerpunkte in die laufenden Sondierungs­ge­spräche auf der Bundesebene.

Und während man sich auf der Bundesebene schwer tut über die notwendige Verbreiterung der öffentlichen Haushaltsbasis auch nur zu reden, werden wir am kommenden Donnerstag die im Senat bereits beschlossenen Einnahmeerhöhungen von etwa 150 Mio. Euro pro Jahr durch Citytax und Grunderwerbssteuer im Parlament aufrufen; erstmals diskutiert und unterstützt im Kreisvorstand der Pankower SPD. [1]

Auch der Volksentscheid „Neue Energie“ bewegt auf einer tiefgreifenden inhaltlichen Ebene die Gemüter in der Stadt. Und klar ist: Ohne diesen Volksentscheid und seine Unterstützerinnen und Unterstützer hätte sich die Politik in Berlin im entscheidenden Moment nicht bewegt. Wir wären im Formalisieren und allzu bequemen Aufwerfen von Fragen stecken geblieben, wieder einmal, statt Führungsanspruch durch Antworten in wichtigen Sach- und Richtungsfragen zu unterlegen.

Wir Pankower können stolz sein. Drei zentrale Anträge zur Gründung eines Stadtwerkes, zur Rekommunalisierung der Energienetze und zur Erzeugung erneuerbarer Energie wurden hier entworfen, diskutiert, beschlossen, wurden Mehrheitsmeinung in der Berliner SPD und Ende 2010 auf dem Landesparteitag beschlossen. Aber vor allem haben wir sie inhaltlich durchgetragen sogar durch einen Koalitionsausschuss vor einigen Tagen.

Am 24. Oktober 2013 ist es so weit. Die Pankower Strategie, Wasser komplett zurückzukaufen, wird durch Parlamentsbeschluss vollendet. Wir werden einen Kaufpreis ohne Belastung des Landeshaushaltes bezahlen, der 500 Mio. Euro günstiger sein wird als die damalige Einnahme bei der Privatisierung. Die Pankower Strategie, zusammen mit den dann landeseigenen Wasserbetrieben ein großes und erfolgversprechendes Stadtwerk zu gründen, wird Gesetzeslage.

Das Berliner Abgeordnetenhaus und der Berliner Senat empfehlen zugleich gemeinsam, dem Volksentscheid des „Berliner Energietisches“ zur Gründung einer Netzgesellschaft und eines Stadtwerkes nicht zuzustimmen. Diese mit der Berliner SPD langfristig und umfassend erarbeitete Haltung soll hier gründlicher beleuchtet werden:

Neubewertung von Privatisierungen

Seit 2007 werden in der Berliner SPD verstärkt Diskussionen zur Rekommunalisierung ehemals öffentlicher Unternehmen der Daseinsvorsorge geführt. Die Not-Privatisierungen der Vergangenheit – z.B. von Wohnungsbeständen sowie bei der Energie- und Wasserversorgung – werden neu bewertet. Erste Ergebnisse dieser Überlegungen waren aufgrund Pankower Anträge in der Abgeordnetenhaus-Fraktion 2009 der landesgesetzliche Ausschluss von „Sale-and-Lease-Back“- und „Cross-Border-Leasing“-Geschäften und die Begrenzung von PPP-Projekten. Ein entscheidender Durchbruch erfolgte als zur Jahreswende 2010/11 dank maßgeblicher Unterstützung des Kreisverbandes Pankow die Privatisierung der ehemaligen „Berliner Immobilien Holding BIH“ mit ihren fast 40.000 Wohnungen verhindert wurde. [2]

Kommunale Energienetze und Stadtwerk

Weiterer Ausdruck dieser neuen Gesamtüberlegungen sind zentrale Entscheidungen der Berliner SPD. Der Landesparteitag beschloss am 13. November 2010 auf Antrag der KDV Pankow und Mitte nach langem Diskussionsprozess weitreichende Vorgaben die Berliner Energienetze und ein zu gründendes Berliner Stadtwerk betreffend. [3]

Die Ideen der Erlangung der Netzkonzessionen und der Gründung eines ökologischen Stadtwerkes vereinen die Überlegungen, die Energiewende voranzubringen, öffentlichen Einfluss auf die Energieversorgung und -preise zu erlangen sowie zugleich Einnahmen für den Landeshaushalt zu erwirtschaften. Diese Ergebnisse wurden in der Stadtgesellschaft aufgegriffen. Am 18. Januar 2012 beschloss der „Berliner Energietisch“ den „Entwurf eines Gesetzes für die demokratische, ökologische und soziale Energieversorgung in Berlin (EnergieVG)“. [4]

Auf Antrag der KDV Friedrichshain-Kreuzberg formulierte der SPD-Landesparteitag am 9. Juni 2012 die „Unterstützung des Volksbegehrens 'Neue Energie für Berlin – demokratisch, ökologisch, sozial' für eine Rekommunalisierung der Berliner Energienetze und die Gründung eigener Stadtwerke: 
Die SPD Berlin unterstützt das Volksbegehren 'Neue Energie für Berlin – demokratisch, ökologisch, sozial'". [5

Umsetzung auf Koalitionsebene

In Umsetzung dieser Beschlusslagen und Überlegungen trafen die Koalitionsfraktionen am 25. September 2012 im Kompromisswege u.a. zwei zentrale Verabredungen. [6]

Einerseits bewirbt sich Berlin um 100% der Stromnetzkonzessionen im dafür gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren; die Gasnetzkonzessionen sollen statt für 20 nur für 10 Jahre vergeben werden. Andererseits soll Berlin die privaten Wasseranteile zurückerwerben und zugleich die Wasserpreise senken.

Opposition gegen erste gelungene Rekommunalisierung

Am 25. Oktober 2012 hat das Berliner Abgeordnetenhaus – erstaunlicherweise gegen die Stimmen der Opposition – durch den Rückkauf des 25%igen RWE-Anteils 75% der Berliner Wasserbetriebe erlangt. [7]

Diesen Weg der Rekommunalisierung gehen wir auch unbeirrt weiter und stehen unmittelbar davor, die Wasserbetriebe durch den Rückerwerb auch der restlichen 25%igen Veolia-Anteile wieder in vollständigen Landesbesitz zu überführen.

Energietisch gegen Stadtwerk

Im November 2012 fanden Gespräche mit den Vorhabenträgern des „Berliner Energietisches“ statt, in deren Folge die Koalition am 5. Dezember 2012 die gesetzliche Gründung eines öffentlichen Stadtwerkes in die Wege leitete, das als Tochter einer Anstalt öffentlichen Rechts 100% ökologischen Strom erzeugen und vertreiben und im Rahmen einer wirtschaftlichen Betriebsführung stromtarifdämpfend sozialpolitisch wirken soll. [8, 9] Das Gesetzgebungsvorhaben steht unmittelbar vor seinem Abschluss. Der „Berliner Energietisch“ lehnte eine Anwendbarkeit des z.B. für die BVG und die BSR geltenden und bewährten Berliner Betriebegesetzes und der Landeshaushaltsordnung und damit eine wirtschaftliche Arbeitsweise des Stadtwerkes ausdrücklich ab und verteidigte seine Ablehnung dieses Koalitionskompromisses im Dezember 2012. [10]

Argumente des Energietisches gegen das Stadtwerk

Schon auf den ersten Blick überzeugen die Argumente dieser Ablehnung des Berliner Stadtwerkes durch den „Berliner Energietisch“ nicht:

  1. Die Stromnetze können weder durch Gesetz, noch durch Kauf erlangt werden. Zwar erweckt der Gesetzentwurf des „Berliner Energietisches“ in § 1 den gegenteiligen Eindruck, was auch in der Stellungnahme wiederholt wird, indem die Netzgesellschaft in eine Kausalitätsbeziehung zur Rekommunalisierung der Stromnetze gerückt wird. Allerdings räumt auch der „Berliner Energietisch“ in seinen sonstigen Texten ein, dass ein bundesgesetzliches Wettbewerbsverfahren nötig ist, was gerade jüngst wieder gerichtlich bestätigt wurde (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. August 2013 - 1 S 1047/13). An diesem gesetzlichen Verfahren kann sich aber die erst am 3. November 2013 zu gründende Netzgesellschaft des „Berliner Energietisches“ gar nicht mehr beteiligen und soll deshalb, versteckt am Ende in § 12, den bereits existierenden Berliner Verfahrensteilnehmer des Senats im Erfolgsfall schlucken. Diese sog. feindliche Übernahme wäre aber jedem rechtlich möglichen und politisch durchaus gewünschten Kooperationspartner Berlins gegenüber (z.B. andere kommunale Bewerber oder Genossenschaften) eine verfassungswidrige entschädigungslose Enteignung.
    Weshalb die Berlinerinnen und Berliner eine Netzgesellschaft gründen sollen, die sich gar nicht um die Netze bewerben kann, bleibt Geheimnis des „Berliner Energietisches“.
  2. Ausdrücklich wird die vorgesehene öffentliche Gesellschafterkontrolle durch die sog. „Gewährträgerversammlung“ kritisiert, obwohl der „Berliner Energietisch“ selbst eine dementsprechende „Gewährträgerhaftung“ (volle Haftung des gesamten Landeshaushaltes), dann aber ohne jede öffentliche Kontrolle, vorsieht.
  3. Auch der Energietisch muss wissen, dass Mitarbeiter der bisherigen Netzbetreiber nach Bundesrecht auf etwaige neue Unternehmen übergehen. 
  4. Die Kritik einer fehlenden Zusage, wie das Stadtwerk finanziell ausgestattet werde, nimmt vor dem Hintergrund jüngster Äußerungen des „Berliner Energietisches“ Wunder. Nun heißt es nämlich beschwichtigend, deren Gegenvorschlag sei gar kein Fass ohne Boden, denn man schreibe dem Abgeordnetenhaus ja schließlich nicht vor, wie das Stadtwerk des „Berliner Energietisches“ finanziell auszustatten sei.
  5. Die Kritik an der Energieerzeugung ist besonders erstaunlich: Weshalb ausgerechnet die von der Koalition vorgeschlagene Errichtung eines Stadtwerkes als Tochter der BSR die Einbeziehung des „Müllheizkraftwerkes Ruhleben“ ausschließen soll, bleibt weiteres Geheimnis des „Berliner Energietisches“; dieses Kraftwerk wird nämlich von der BSR selbst betrieben.
  6. Inwieweit der Vorschlag des „Berliner Energietisches“ zu mehr direkter Demokratie führen können soll, ist auch lediglich unzutreffende Behauptung. An keiner Stelle des Entwurfes des Volksentscheides dürfen Bürgerinnen und Bürger Sachentscheidungen treffen; selbst bei erfülltem Quorum und Abstimmung mit absoluter Mehrheit haben die Bürgerentscheidungen nur beratenden oder empfehlenden Charakter. Es entscheiden immer die Verwaltungsräte, auch über ihre eigene Vergütung und gesellschaftsrechtliche Entlastung. Dass gewählte Abgeordnete mit Gesamtverantwortung dem Verwaltungsrat dieses Einzelunternehmens faktisch nicht angehören dürfen, ist eine bundesweit einmalige und verfassungswidrige Regelung, unabhängig davon, ob man Mandatsträger in Aufsichtsräten nun politisch gut oder schlecht findet, wie etwa beim Liegenschaftsfonds oder den Kitaeigenbetrieben.
  7. Schließlich wird der Koalition „Gesetzesknappheit“ vorgehalten, was allerdings verschweigt, dass die Landeshaushaltsordnung und das Berliner Betriebegesetz bereits vorhandene, bewährte und viel umfangreichere und für öffentliche Unternehmen übliche Gesetze sind, als der Gesetzesvorschlag des „Berliner Energietisches“.
  8. Die Argumentation des „Berliner Energietisches“ ist so wenig überzeugend, dass inzwischen gar keine Sachargumente mehr vorgebracht werden. Stattdessen ist man dazu übergegangen, pauschal zuzuschreiben. Die Argumente der Parlaments­debatten werden nicht diskutiert, sondern die gesamte Debatte wird für substanzlos erklärt. Stellungnahmen des Abgeordnetenhauses und Senats unterstellt man pauschal und begründungslos die Unwahrheit. Ein ungünstiges 70-seitiges Rechtsgutachten des Berliner Verfassungsrechtlers und Lehrstuhlinhabers Univ.-Prof. Dr. Helge Sodan wird ohne Argumentation als interessensgeleitet abgetan. Zur jüngsten unanfechtbaren Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichts­hofes Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. August 2013 - 1 S 1047/13, nimmt der Berliner Energietisch lieber gar nicht Stellung, heißt es dort doch ausdrücklich:

    „Das Bürgerbegehren 'Energie- und Wasserversorgung Stuttgart' ist voraussichtlich unzulässig. Sein Ziel, dass die Landeshauptstadt Stuttgart Konzessionen und Netzbetrieb für Strom und Gas spätestens ab Januar 2014 übernimmt, verstößt gegen die gesetzliche Pflicht, ein diskriminierungsfreies und transparentes Auswahlverfahren zur Vergabe der Konzessionen für Stromnetz und Gasnetz durchzuführen. Seine Begründung erweckt zudem den unzutreffenden Eindruck, die Stadt könne mit Übernahme des Stromnetzes maßgeblich beeinflussen, ob in ihrem Gebiet Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken bezogen wird.“

    Ob das klug ist, so mit dem ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichthofes Berlin und allen anderen Kritikern umzuspringen, darf allerdings bezweifelt werden.

Argumente für ein funktionierendes Stadtwerk 

  1. Anders als unser Rückkauf beim Wasser oder die Verhinderung von Privatisierungen hat der Volksentscheid des „Berliner Energietisches“ nichts mit Rekommunalisierung zu tun. Der Senat hat bereits zum 1. März 2012 eine Berliner Netzgesellschaft gegründet, die bis zum Fristablauf am 16. April 2012 förmlich öffentliches Interesse an den Netzen bekundete und ihren Eignungsnachweis bis zum Fristablauf am 28. Mai 2013 vorlegte.
    Eine weitere Netzgesellschaft zu gründen, die sich am gesetzlich erforderlichen Vergabeverfahren der Netze gar nicht mehr beteiligen kann, dient allenfalls als Werbeträger des Volksbegehrens und ist leere Hülle; Bürger sehen es übrigens gar nicht gern, so hinters Licht geführt zu werden.
  2. In diesem Vergabeverfahren für die Energienetze kann es bis zur Zuschlagsentscheidung noch zu Kooperationslösungen, etwa mit anderen kommunalen Bewerbern oder Genossenschaften, kommen. Diese Partner können aber nicht einfach durch eine feindliche Übernahme durch den „Berliner Energietisch“ entschädigungslos enteignet werden, so dass der Volksentscheid solche Kooperationslösungen nahezu verunmöglicht.
  3. Das Abgeordnetenhaus schlägt in seinem Gesetzgebungsverfahren ein Stadtwerk vor, das bei vergleichbaren energie- und sozialpolitischen Zielen wirtschaftlich arbeiten soll, was Anfangsdefizite nicht ausschließt. Es soll zusammen mit den vollständig rekommunalisierten Wasserbetrieben aussichtsreich tätig werden und stellt eine echte Alternative dar. Allerdings wollen wir kein Fass ohne Boden und deshalb auch ein Stadtwerk mit öffentlicher Kontrolle.
  4. Demgegenüber will der „Berliner Energietisch“ ausgerechnet die Landeshaushaltsordnung und das Berliner Betriebegesetz nicht anwenden, die die wirtschaftliche Arbeitsweise und öffentliche Kontrolle des Stadtwerkes sicherstellen würden.
    Üblicherweise werden Kommunen durch Unternehmen wirtschaftlich tätig, deren Haftung beschränkt ist und nicht auf den öffentlichen Gesamthaushalt durchschlägt. Für solche Unternehmen genügen zur Kontrolle der Vorstände Aufsichtsräte. Bei Anstalten öffentlichen Rechts, wie der BSR und der BVG, haftet jedoch der gesamte Berliner Landeshaushalt für Defizite (sog. Gewährträgerhaftung). Deshalb ist rechtlich und erst recht politisch eine korrespondierende besondere öffentliche Gesellschafterkontrolle, die sog. Gewährträgerversammlung, üblich und erforderlich. Die Gewährträgerversammlung hat nach der geltenden Gesetzeslage die Aufgabe, die Satzung zu beschließen, den Aufsichtsrat zu bestellen, die Vergütung und Entlastung des Aufsichtsrates zu beschließen, Betriebsprüfer zu bestellen, Beanstandungen gegen den Aufsichtsrat zu entscheiden, bei der BVG Vorstände zu bestellen und Weisungsrechte. Genau diese öffentliche Versammlung, die vom Berliner Abgeordnetenhaus öffentlich kontrolliert wird, will der „Berliner Energietisch“ aber um jeden Preis verhindern. Und genau das ist der eigentliche Streit, der Rest soll genau davon ablenken. Demgegenüber auf sowieso bestehende Einzelrechte des Abgeordnetenhauses, etwa bei Betriebserweiterungen, hinzuweisen, ist eine ulkige Nebelkerze.
  5. Wie aus o.g. Stellungnahme und dem Entwurf des „Berliner Energietisches“ ersichtlich, sollen demgegenüber weitreichende finanzielle Zusagen gemacht werden. Versprochen werden – jeweils ohne Zahlen oder auch nur ansatzweise Bedingungen zu nennen – die „Unterstützung“ der energetischen Gebäudesanierung, die „Förderung“ energiesparender Haushaltsgeräte und die „Bekämpfung“ der Stromarmut z.B. durch Verhinderung von Abschaltungen. So positiv diese Verheißungen im Einzelfall wirken mögen: Betrachtet man hinzu, dass zugleich ausgerechnet die Wirtschaftlichkeitserfordernisse der Landeshaushaltsordnung oder des Berliner Betriebegesetzes abgeschafft und Kontrollen durch Senat und Abgeordnetenhaus und durch faktisch unwählbare Abgeordnete selbst ausgeschlossen werden sollen, ist der Vorschlag klar auf Verlust und öffentliches Risiko ausgerichtet.

Opposition teilt diese Einschätzung

Neuerdings muss zu alldem als Entschuldigung herhalten, dass kaufmännische Grundsätze gelten sollen und Sparsamkeit dazu zähle. Sorry, wer wirtschaftlich und öffentlich kontrolliert transparent arbeiten will, kann dann nichts gegen die Geltung von Landeshaushaltsordnung und Betriebegesetz einzuwenden haben. Bisher hat die versammelte Opposition lediglich hinter vorgehaltener Hand zugegeben, dass hier verfassungsrechtlich geboten ist, einzuschreiten; wir müssten dies aber abräumen. Weil diese Kritik jedoch so klar und so eindeutig ist, hat sich die Opposition nun sogar öffentlich angeschlossen:

Der ehemalige Wirtschaftssenator und Befürworter des „Berliner Energietisches“ Harald Wolf, Die Linke, sagte am 29. August 2013 im Plenum des Abgeordnetenhauses:

„Was ich zugestehe und was in diesem Gesetzentwurf nicht geregelt ist, ist die Frage der Gesellschafterrechte, der Gesellschafterversammlung bzw. der Gewährträgerversammlung. Das ist ein Mangel in diesem Gesetzentwurf [...] er hat eine Reglungslücke, nämlich dass er nicht regelt, wo und wie die Gesellschafterfunktion wahrgenommen wird [...] dann haben wir ein Gesetz, das durch Volksgesetzgebung in Kraft gesetzt worden ist, wo die Gesellschafterfrage nicht geregelt worden ist. Und deshalb werden wir sie dann regeln müssen.“ [11]

Auch die SPD-Fraktion hat den von Wolf vorgeschlagenen Weg, ein etwaiges Volksgesetz sofort durch Parlamentsgesetz zu ändern, diskutiert aber mit breiter Mehrheit als politisch unhaltbar verworfen. Wir haben uns stattdessen entschieden, lieber vorher die Wahrheit zu sagen, statt hinterher zu tricksen.

Unseren Heilungsversuch einer Übernahme des Volksbegehrens als „inhaltlich im Wesentlichen unverändert“ aber mit Einfügung von Parlamentsvorbehalten bei Satzung, Geschäftsstrategie und Kontrolle hat der Koalitionspartner abgelehnt. [12]

Eine visualisierte Präsentation der vorgenannten und weitergehender Argumente können Sie sich hier herunterladen.

 
 

Homepage Torsten Schneider, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin

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